Melliand Textilberichte 3/2023

AUSGABE 3 20 23 DEUTSCH IN DIESER AUSGABE Fachkräftemangel Faser-News Advansa DITF/Fairbrics IVL Oeko-Tex Recycling Andritz BAM ITM/Der Grüne Punkt Rieter Von der Natur lernen D 5 8 6 2 E FASERN, SPINNEREI, WEBEREI, STRICKEREI, TEXTILVEREDLUNG BESUCHEN SIE UNS AUF: TEXTILETECHNOLOGY.NET ITMA Vorschau

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Urs Konstantin Rouette Rouette Executive Search Rosenheim Fachkräftemangel – der schmerzhafte Weg zu neuen Visionen Das Kapital eines Unternehmens ist nicht sein Produkt, sondern die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die es erschaffen. Bleiben Stellen zu häufig zu lange unbesetzt, gefährdet dies den Unternehmenserfolg. Die Machtverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt haben sich verschoben, diese schmerzhafte Tatsache muss den Weg für neue Visionen freiräumen. Der Arbeitsmarkt verändert sich stärker, als manch einem lieb ist Bereits heute sind einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags zufolge mehr als die Hälfte aller Unter- nehmen von Personalengpässen betroffen. Auf den ersten Blick scheint der Grund hierfür schnell ausgemacht: Die Generation der Baby-Boomer, geburtenstark und arbeitsam, beginnt, in den Ruhestand zu gehen. Die nachfolgenden geburtenschwachen Generationen, denen ihr Privatleben wichtiger ist als ihr Beruf, vermögen dies nicht auszugleichen. Schaut man jedoch etwas genauer hin, fällt auf: Die nachfolgenden Generationen sind gut ausgebildet, empfinden Beruf und Familie als gleichwertig und wollen etwas bewegen. Vermutlich das ersteMal in der Geschichte sindArbeitskräfte in der Position, Forderungen stellen zu können, so unbequem und schmerzhaft diese Tatsache für Unternehmen sein mag. Nun ist Lamentieren bekanntlich kein Geschäftsmodell, vielmehr muss der Fokus auf die Verbesserung all jener innerbetrieblichen Strukturen gerichtet werden, die ein Unternehmen so attraktiv für Arbeitskräfte macht, dass es erfolgreich und zukunftsfähig bleibt. Unternehmen als Bewerber Unternehmen, die sich bis jetzt auf die Attraktivität ihrer Marken oder ihrer Innovationskraft verlassen haben, um Talente anzuziehen und zu halten, müssen diese Haltung zeitnah überdenken. Angestellte sind das wichtigste Kapital eines Unternehmens und zugleich das flüchtigste. Bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aller Ebenen verschieben sich persönliche Prioritäten. Ihre Persönlichkeit, Kompetenz und Motivation sind der Motor für den Unternehmenserfolg, ihr Fortgang gefährdet ihn. Mittlerweile werben Unternehmen um Arbeitskräfte. Wie dies gelingt, soll nachfolgend skizziert werden. Die Zusammensetzung der Belegschaft verändert sich Menschen, die bisher kaum eine Chance auf eine Karriere hatten, müssen einbezogen werden, um den Fachkräftemangel abzuschwächen. Häufig bleiben diese Personen trotz guter Ausbildung hinter ihren Möglichkeiten zurück, weil sie aufgrund ihrer Lebensumstände auf flexible und auch digitale Arbeitsmöglichkeiten angewiesen sind. Die Chance, diesen Schatz zu heben, sollten sich Unternehmen nicht entgehen lassen. Führung als Aufgabe statt als Selbstzweck In diesem Kontext wird gute Führung immer wichtiger. Führungskräfte müssen führen. Diese Kernaufgabe personeller Führung wird häufig durch Unternehmensstrukturen konterkariert. Manche Führungskräfte können nicht führen. Sie wurden zur Führungskraft, weil sie bisher die fachlichen Aufgaben inhaltlich am besten erfüllten oder es mal an der Zeit für eine Beförderung war, ohne dass sie von ihrer Persönlichkeit her dafür geeignet wären oder darauf vorbereitet wurden. Andere dürfen nicht führen, weil sie durch eine hohe Belastung mit fachlichen Alltagstätigkeiten davon abgehalten werden. Wieder andere verlieren sich im Mikromanagement ihres Teams, was nicht nur viel Zeit frisst, sondern fachlich hervorragende Teams demotiviert. Führungskräfte in stark hierarchisch aufgebauten Organisationen, in denen viel Wert auf Statussymbole gelegt wird, sind hierbei besonders gefährdet. Anerkennung im fachlichen Wirken Einem Teil der beschriebenen Defizite in der Führung kann vorgebeugt werden, indem fachliche Erfolge nicht nur durch hierarchische Beförderungen, sondern vor allem auch durch Wertschätzung honoriert werden. Dabei ist Wertschätzung keine leere Worthülse, wenn fachliche und disziplinarische Kompetenz demUnternehmen in der Anerkennung und der Entlohnung gleich viel wert sind. Führungs- und Fachkräfte wirken dann in ihrem jeweiligen Fachgebiet mit voller Kraft, ungehindert, selbstverantwortlich und gerecht entlohnt. Übrigens liegt diese Idee der Selbstverantwortung und Gleichgestelltheit auch modernen, sehr erfolgreichen Projektmethoden zugrunde und fördert eine positive Fehlerkultur. Und was heißt das nun im Alltag? Unternehmen müssen sich und ihre Überzeugungen kritisch unter die Lupe nehmen. Finden wir Statussymbole, Hierarchien und Arbeiten in Präsenz wichtig oder können wir die Kosten für bisherige Strukturen und Statussymbole in unsere digitale Ausstattung stecken, sodass Abläufe effizienter werden und Menschen gegebenenfalls ohne Umzug und lange Arbeitswege für uns arbeiten? Können wir mit flexiblen Arbeitszeit- und -vertragsmodellen ähnlich denen von Freelancern so attraktiv werden, dass Spezialistinnen und Spezialisten von überall auf der Welt für uns arbeiten wollen? Vertrauen wir auf die Schaffenskraft, das Wissen und die Motivation unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ebnen ihnen den Weg, dieses Potenzial für uns voll auszuschöpfen? Machen wir weiter wie bisher, ertragen den damit verbundenen Schmerz oder brechen wir mit Visionen die herkömmlichen Strukturen auf? Die Antwort ist einfach. Oder nicht? 3 MELLIAND TEXTILBERICHTE 3 | 2023 LEITARTIKEL

INHALT AUSGABE 3 | 2023 | JAHRGANG 104 LEITARTIKEL 3 Fachkräftemangel – der schmerzhafte Weg zu neuen Visionen U.K. Rouette NEWS 6 – 15 DETAI LS S. S. 6 FASERN & GARNE 16 Polyesterfasern binden CO2 DITF / Fairbrics 17 Deutliche Lufteinsparung bei der Luftverwirbelung von DTY N. Chiusolo, S. Gerber SPINNEREI 18 Recyclinganteil erhöhen – Garnqualität verbessern Rieter WEBEREI 19 Simulationsgestützte Entwicklung von Mehrlagengeweben für High-Tech-Anwendungen T.A.M. Huynh et al. TEXTI LVEREDLUNG 23 Verbesserung des Farbgenehmigungsverfahrens K. Butts Seite 24 Seite 7 4 MELLIAND TEXTILBERICHTE 3 | 2023 INHALT

WWW.TEXTILETECHNOLOGY.NET TEXTI L INDUSTRIE 26 Post-Consumer-Kunststoffe – vom Joghurtbecher zum hochwertigen Textil S. Lukoschek, C. Callhoff et al. 28 Reduktion von Mikroplastikemissionen von Polyestertextilien durch höhere Waschmaschinen- Beladungsmengen D. Kaczmarek et al. 31 Textile Dübel Carl Stahl MANAGEMENT 10 Michael Otto 12 Robert van de Kerkhof 12 Frank Meister, Philipp Köhler 22 Ulrike Möller, Sandra Beyer 22 Heike van de Kerkhof, Mark Garrett 27 Paul Kiekens INTERVIEW 58 Von der Natur lernen D. Odermatt INFOS 57 Firmenindex 57 Impressum Seite 48 Seite 46 ITMA- VORSCHAU 32 – 56 DETAI LS S. S. 32 5 MELLIAND TEXTILBERICHTE 3 | 2023 INHALT

NEWS ÜBERS ICHT Seite 6– 15 UNTERNEHMEN: Advansa Advansa schließt Produktion in Hamm UNTERNEHMEN: Lenzing Nach schwierigem Start auf Erholungskurs UNTERNEHMEN: U.S. Cotton Protocol Mehr als 11 Millionen Textilien erfasst UNTERNEHMEN: IVL Standort Obernburg mit Fokus auf Automobil-Sektor INSTITUT: BAM Neue Standards für recycelte Carbonfasern UNTERNEHMEN: Oeko-Tex Neue Zertifizierung für Bio-Baumwolle VERBAND: Gesamtmasche Intensivierung der Zusammenarbeit mit Äthiopien VERBAND: textil+mode Konjunkturklima verbessert sich EVENT: Techtextil/Texprocess 2024 Innovationen und nachhaltige Lösungen für die Zukunft INSTITUT: HS Niederrhein Kooperationsplattform für nachhaltige Textilherstellung UNTERNEHMEN: Puma Leichter Verbundwerkstoff für Zwischensohle eines Laufschuhs UNTERNEHMEN: Freudenberg 75 Jahre Vlieseline UNTERNEHMEN: Aurich Textilien Insolvenzverfahren erfolgreich beendet UNTERNEHMEN: Oerlikon Niedrigerer Auftragseingang UNTERNEHMEN: Getzner Investition in Betriebserweiterung UNTERNEHMEN: Dürkopp Adler Übernahme von Sonotronic Nagel UNTERNEHMEN: Andritz Partnerschaft für Textil-Recycling Im Oktober 2022 hat der Polyesterhersteller Advansa Manufacturing einen Insolvenzantrag gestellt. Nun hat der zuständige Insolvenzverwalter Holger Rhode mit dem Gläubigerausschuss vereinbart, die Produktionsstätte auf ein Schließungskonzept vorzubereiten. Dies wird in den kommenden Monaten zur Schließung der Produktionsstätten und zur anschließenden Liquidation des Unternehmens führen. Trotz vieler Bemühungen war es nicht möglich, ein tragfähiges Konzept für eine Fortsetzung der Produktion und eines gesunden Betriebs der Advansa Manufacturing GmbH, Hamm, zu finden. Es wird erwartet, dass die Produktion in den kommenden Monaten unter der Aufsicht des Verwalters fortgesetzt wird, um Rohstoffbestände aufzubrauchen und um offene und neue Kundenaufträge erfüllen zu können. Advansa schließt Produktion in Hamm UNTERNEHMEN: Advansa FOKUS: Business Die Stilllegung der Produktion in Hamm hat keine direkten Auswirkungen auf den laufenden Geschäftsbetrieb der anderen Gesellschaften der Advansa-Gruppe, weder auf die Advansa Marketing GmbH, Hamm, die ihre Geschäftstätigkeit als Lieferant für alle europäischen und weltweiten Kunden fortsetzen wird, noch auf die Advansa BV, Hoofddorp/Niederlande, die die entsprechenden IP- und Markenrechte besitzt. Advansa hat sich auf diesen Fall vorbereitet und zusammen mit seiner Schwestergesellschaft Asia Pacific Fibers TBK (APF), Jakarta / Indonesien, Zugang zu bedeutenden Faserproduktionskapazitäten in Indonesien sowie zu mehreren bereits laufenden Produktionskooperationen und Technologievereinbarungen mit OEM-Herstellern geschaffen. 6 NEWS MELLIAND TEXTILBERICHTE 3 | 2023

Im 1. Quartal 2023 waren für Lenzing sowohl bei der Nachfrage als auch bei den Rohstoff- und Energiekosten Anzeichen der Erholung erkennbar, nachdem sich das Marktumfeld im 3. und 4. Quartal des Vorjahres deutlich verschlechtert hatte. Textilfasern verzeichneten eine verhaltene, aber sich stetig verbessernde Nachfrage. Das Geschäft mit Fasern für Vliesstoffe und mit Faserzellstoff entwickelte sich besser als erwartet. Die Rohstoff- und Energiekosten bewegten sich noch auf einem erhöhten, aber sinkenden Niveau. Die Lenzing AG, Lenzing/Österreich, konnte in Q1/2023 den Umsatz um 1,3 % auf 623,1 Mill. € steigern. Dieser Anstieg ist primär auf höhere Zellstoffumsätze zurückzuführen, während die Faserumsätze rückläufig waren. Das Betriebsergebnis vor Abschreibungen (EBITDA) ging in Q1/2023 um 66,2 % im Vergleich zum Vorjahr auf 29,7 Mill. € zurück. Nach schwierigem Start auf Erholungskurs UNTERNEHMEN: Lenzing FOKUS: Business Lenzing startete im 3. Quartal 2022 ein Programm zur Reorganisation und Kostensenkung und liegt mit der Umsetzung im Plan. Es werden nach vollständiger Implementierung des Programmes jährlich mehr als 70 Mill. € an Kosteneinsparungen angestrebt. Darüber hinaus wurden weitere Maßnahmen zur Stärkung des Free Cashflow eingeleitet. Dieser lag in Q1/2023 insbesondere aufgrund des negativen Ergebnisses sowie der Fertigstellung der strategischen Investitionsprojekte bei –132,3 Mill. € (Q1/2022: –102,9 Mill. €). Save the date! Besuchen Sie uns auf der ITMA 2023 in Mailand, 08. – 14. Juni Halle H6, Stand B101 Herzog was here. Wir können es nicht lassen und finden noch für jede Herausforderung die passende Flechtlösung. Immer kreativ und 100%ig verlässlich. Einfach zum Genießen. Lenzing investiert seit 2021 mehr als 200 Mill. € in die Produktionsstandorte in China und Indonesien, um bestehende Kapazitäten für generische Viskose in Kapazitäten für umweltverträgliche Spezialfasern umzuwandeln. In Nanjing/China konnte in Q1/2023 die Umwandlung einer Produktionslinie auf Modalfasern der Marke Tencel für Textilien und Bekleidung erfolgreich abgeschlossen werden. Lenzing kann damit erstmals auch seinen chinesischen Kunden lokal hergestellte Tencel-Fasern anbieten und damit die strukturell wachsende Nachfrage noch besser bedienen. Tencel = eingetragenes Warenzeichen 7 NEWS MELLIAND TEXTILBERICHTE 3 | 2023

Mehr als 11 Millionen Textilien erfasst Standort Obernburg mit Fokus auf Automobil-Sektor Mithilfe der Protocol Consumption Management Solution (PCMS) konnte das U.S. Cotton Trust Protocol mehr als 3.000 t Baumwolle nachverfolgen. Da internationale Marken und Bekleidungshersteller bestrebt sind, die eigenen Bestrebungen bei der Förderung der Nachhaltigkeit in der Branche glaubwürdig und transparent darzustellen, stellt diese Ankündigung einen bedeutenden Erfolg der Entwicklung des U.S. Cotton Trust Protocol, Cordova, TN/USA, seit der Gründung 2020 dar. Die verifizierten Daten zeigen, dass insgesamt mehr als 11 Mill. fertig konfektionierte Textilien durch das PCMS getrackt wurden. Mithilfe des PCMS können Marken- und Einzelhandelsmitglieder eine Vielzahl von Angaben auch auf dem Produkt machen, die auf datengestützten, verifizierten Protokollverbrauchseinheiten basieren. Dies ist möglich, weil das PCMS die Blockchain und andere digitale Technologien nutzt, um die Bewegungen von Protocol Cotton und U.S. Cotton in jeder Phase der Lieferkette nahezu in Echtzeit aufzuzeichnen und zu überprüfen. Dies setzt voraus, dass alle Mitglieder der Lieferkette – einschließlich der Baumwollspinnereien und Hersteller – Mitglied des U.S. Cotton Trust Protocol sind. Das System bietet quantifizierbare, überprüfbare Ziele und Messungen an und treibt die kontinuierliche Verbesserung von 6 wichtigen Nachhaltigkeitsmerkmalen voran: Landnutzung, Bodenkohlenstoff, Wassermanagement, Bodenverlust, Treibhausgasemissionen und Energieeffizienz. Das Programm erfasst wichtige Umwelt- und Sozialdaten im Rahmen eines wissenschaftlich fundierten Systems auf Betriebsebene und legt diese jährlich vor. Der weltweite Wettbewerbsdruck in der Chemiefaserindustrie hält unverändert an. Zukünftig wird sich IVL am Standort Obernburg bei der Faserproduktion auf die Kernmärkte Reifen und Automobil-Sicherheit/Airbag sowie Spezialitäten fokussieren und ausgewählte Produktinnovationen für die Anwendung in neuen Marktsegmenten vorantreiben. Entsprechend plant das Unternehmen, seine Kapazitäten anzupassen und bis zum Jahresende etwa 80 der derzeit rund 620 Arbeitsplätze abzubauen. Der Stellenabbau betrifft sowohl die Produktion als auch Positionen in der Verwaltung und im Vertrieb. Indorama Ventures Public Company Ltd. (IVL), Bangkok/Thailand, ist einer der weltweit führenden Hersteller von Chemiefasern. Zur globalen Produktionspräsenz in Europa, Amerika und im asiatisch-pazifischen Raum gehört seit der Akquisition des Chemiefaserherstellers PHP Fibers im Jahr 2014 auch der Standort Obernburg. 6 wichtige Nachhaltigkeitsmerkmale: UNTERNEHMEN: U.S. Cotton Protocol FOKUS: Zertifizierung UNTERNEHMEN: IVL FOKUS: Business Bei der Transformation zur Klimaneutralität kommt carbonfaserverstärkten Kunststoffen (CFK) als Leichtbauwerkstoff eine wichtige Rolle zu. Von der Luft- und Raumfahrt, dem Automobilbau und der Windenergie bis zum Freizeitbereich helfen CFK, Masse, Material und damit gleichzeitig Ressourcen, Energie und CO2 einzusparen. Mit dem Ziel, dem weltweit steigenden Bedarf an Leichtbauanwendungen zu begegnen, entwickelt die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), Berlin, neue Qualitäts- und Sicherheitsstandards für recycelte Carbonfasern. Angesichts des wachsenden Bedarfs ist es zudem sehr wichtig, dass für CFK geschlossene Kreislaufsysteme entwickelt werden. Zwar ist es technisch längst möglich, gebrauchte Carbonfasern wieder aus der Kunststoffmatrix zu lösen, in die sie eingebettet sind, und anschließend zu einem qualitativ hochwertigen Material zu verarbeiten. Doch die Nachfrage nach recycelten Carbonfasern ist bislang sehr gering. Der Marktanteil liegt bei unter 5 %. In einem neuen Projekt untersucht ein BAMTeam den Recyclingprozess genauer. Im direkten Austausch mit der Industrie werden dazu zunächst die Kenngrößen und Materialeigenschaften erhoben, auf die es in der Praxis vor allem ankommt. Diese Parameter beobachten die Forscher dann über den gesamten Lebenszyklus eines CFK-Prüfkörpers. Genauer soll auch der Prozess des Recyclings selbst betrachtet werden, um zu verstehen, welche Auswirkungen er auf die Bauteileigenschaften hat. Schließlich wird das Team Standards zur Qualitätssicherung recycelter Carbonfasern und deren Einsatz entwickeln, um die Akzeptanz des Materials am Markt zu steigern und eine geschlossene Kreislaufwirtschaft von CFK zu ermöglichen – bei einem verlässlich hohen Sicherheitsniveau. Neue Standards für recycelte Carbonfasern INSTITUT: BAM FOKUS: Recycling Landnutzung, Bodenkohlenstoff, Wassermanagement, Bodenverlust, Treibhausgasemissionen und Energieeffizienz 8 NEWS MELLIAND TEXTILBERICHTE 3 | 2023

Seit April 2023 bietet Oeko-Tex ein umfassendes und objektives Prüfsystem für Bio-Baumwollprodukte mit vollständig verifizierter Produktkette an. Im Mittelpunkt von Oeko-Tex Organic Cotton stehen die Produkt- und Verbrauchersicherheit sowie die Rückverfolgbarkeit. Mode- und Textilprodukte mit diesem Label wurden aus Bio-Baumwolle hergestellt, die ohne GVOs (gentechnisch veränderte Organismen) und Pestizide ange- baut und auf Schadstoffe des Oeko-Tex Kriterienkatalogs getestet wurde. Für den Nachweis der Bio-Herkunft kann die GVOQuantifizierungsmethode von Oeko-Tex erstmals zwischen Kontamination und gezielter Beimischung von konventioneller Baumwolle unterscheiden. Die neue Zertifizierung ist konform mit globalen Vorschriften, darunter EU REACH Annex XIV und XVII, US CPSIA sowie die EU-POP-Verordnung. Seit der Einführung des Oeko-Tex Standard 100 vor über 30 Jahren prüft und zertifiziert die Oeko-Tex Association, Zürich/ Schweiz, Produkte aus und mit Bio-Baumwolle. Mit der stetig steigenden Verwendung von Bio-Baumwolle in Mode und Textilien steigt auch der Anspruch, sie in Oeko-Tex Standard 100- Zertifikaten auszuweisen. Neue Zertifizierung für Bio-Baumwolle UNTERNEHMEN: Oeko-Tex FOKUS: Zertifizierung Um eine klare Kommunikation zu gewährleisten, launcht OekoTex ein Haupt- und ein Sublabel: „Organic Cotton“ zertifiziert Artikel und Materialien aus 100 % Bio-Baumwolle, während „Organic Cotton Blended“-zertifizierte Artikel aus mindestens 70 % Bio-Baumwolle bestehen müssen. Mit entsprechenden Herkunftsnachweisen können weiterhin alle Artikel, die Bio-Baumwolle enthalten, schadstoffgeprüft und mit Oeko-Tex Standard 100 zertifiziert werden. In der Kommunikation des Oeko-Tex Standard 100 kann Bio-Baumwolle dann im Zertifikatstext angegeben werden. Mischungen aus Bio- und konventioneller Baumwolle sind in allen 3 Zertifikaten verboten. Die quantitative GVO-Testmethode von Oeko-Tex ist die erste Methode, die zwischen beabsichtigter Vermischung und unvermeidbarer Kontamination (z. B. durch Faserflug) mit herkömmlicher Baumwolle unterscheiden kann. Für die Einführung von Organic Cotton hat Oeko-Tex eine Grenze von < 10 % GVO festgelegt. Für den Nachweis des ökologischen Baumwollanbaus fordert Oeko-Tex Organic Cotton eine Zertifizierung gemäß der IFOAMStandardfamilie (International Federation of Organic Agriculture Movements). Weiterhin wird das vollständige Prüfprogramm des Oeko-Tex Standard 100 durchgeführt, um die Produktsicherheit zu gewährleisten. Zum Nachweis des ökologischen Anbaus werden zusätzliche Tests auf GVOs und Pestizide durchgeführt. Im Falle eines nicht bestandenen qualitativen GVO-Tests prüft der quantitative GVO-Test, ob das Ergebnis auf Kontamination oder absichtliche Vermischung mit herkömmlicher Baumwolle zurückzuführen ist. 9 NEWS MELLIAND TEXTILBERICHTE 3 | 2023

Intensivierung der Zusammenarbeit mit Äthiopien Konjunkturklima verbessert sich Auf seine Textilbranche setzt Äthiopien große Hoffnungen. Bekannt sind vor allem die staatlich geförderten Industrieparks, die ausländische Investoren ins Land holen und für Arbeitsplätze sorgen sollen. Aber auch die große Zahl mittelständischer, oft familiengeführter Textilbetriebe ist von Bedeutung. Seit über 3 Jahren arbeitet die Verbändekooperation Partner Africa Ethiopia zwischen dem Gesamtverband der deutschen Maschenindustrie e.V. (Gesamtmasche), Stuttgart, und der Ethiopian Textile and Garment Manufacturers Association (ETGAMA), Addis Abeba/ Äthiopien, an der Intensivierung der deutsch-äthiopischen Geschäftsbeziehungen. Im Zentrum des Projekts stehen Qualitätsverbesserungen und der Aufbau nachhaltiger, transparenter Wertschöpfungsketten – vom Baumwollfeld angefangen. Vollstufige Kette in schwierigem Rahmen Technische Mitarbeiter aus Firmen sämtlicher Wertschöpfungsstufen erhielten Gelegenheit zu bedarfsorientierter Weiterbildung in der Spinnerei, Strickerei und Weberei. Zur Erreichung besserer Qualitäten setzte Partner Africa Ethiopia auch auf eine bessere Vernetzung der Betriebe. Das ebnete gleichzeitig den Weg für transparenteWertschöpfungsketten, bei denen sich die Akteure über die Stufen hinweg zurückverfolgen lassen. Steigende gesetzliche Anforderungen in Europa wie das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und demnächst die EU-Lieferkettenrichtlinie machen es für äthiopische Firmen unumgänglich, sich mit Compliance-Themen und Zertifizierungen zu befassen. Gesamtmasche arbeitet daher bereits an einemFolgekonzept, das den Schwerpunkt auf Zertifizierung und Lieferkettentransparenz legt. Insgesamt scheint sich die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie langsam und stetig zu erholen, allerdings weiter mit unterschiedlichen Vorzeichen: Während Bekleidung bei Umsätzen, Exporten und Aufträgen klar zulegen kann, vollzieht sich die Erholung bei Textil zögerlicher und differenzierter. Dies geht aus dem aktuellen Konjunkturbericht des Gesamtverbands der deutschen Textil- und Modeindustrie e.V. (textil+mode), Berlin, hervor. Die Umsätze stiegen im Januar und Februar 2023 um 9,5 % auf 3,05 Mrd. € an. Textil legte um 3,5 %, Bekleidung sogar um +19,9 % zu. Dabei handelt es sich jedoch um den nominalen Zuwachs. Aufgrund der hohen Inflation lag die reale und saisonbereinigte Steigerung niedriger. Beide Segmente liegen mittlerweile knapp über den Umsatzniveaus von 2019. Das Konjunkturklima hat sich in der Industrie nochmals leicht verbessert. Die Stimmung insgesamt steigt damit seit etwa 6 Monaten stetig an. Auch bei den Unternehmen der Bekleidungsindustrie wird die Lage so optimistisch wie lange nicht eingeschätzt. Bei Textil stellt sich analog zu den Konjunkturzahlen die Stimmung anders dar: In den vergangenen Monaten schätzen die Textilunternehmen ihre Lage vergleichsweise negativ ein; allerdings hat sich die Stimmung seitdem zusehends gebessert. VERBAND: Gesamtmasche FOKUS: Kooperation VERBAND: textil+mode FOKUS: Business Michael Otto MANAGEMENT Der Unternehmer, Stifter und Hamburgs Ehrenbürger Prof. Dr. Michael Otto feierte am 12. April 2023 seinen 80. Geburtstag. Seit 2007 ist er Aufsichtsratsvorsitzender der Otto Group in Hamburg. 1971 trat er in den damaligen Otto-Versand ein und übernahm den Vorstandsbereich Einkauf Textil, dem er eine neue Organisationsstruktur gab. Von 1981 bis Oktober 2007 leitete er die Gruppe als Vorstandsvorsitzender und entwickelte den einstigen Otto-Versand von Hamburg aus konsequent zu einer weltweit agierenden Handels- und Dienstleistungsgruppe mit 30 Unternehmensgruppen in 30 Ländern und einem Umsatz von etwa 16 Mrd. €. Dabei setzte er früh auf die Globalisierung, internationalisierte konsequent die erfolgreichen Geschäftsmodelle der Otto Group und investierte in Wachstumsmärkte. Hier setzte er oft auf Unternehmer vor Ort, die als Insider ihre lokalen Märkte und die kulturellen Eigenheiten kennen. Als Vorreiter der Digitalisierung baute Otto bereits Mitte der 1990er Jahre neben dem Kataloggeschäft und dem stationären Einzelhandel auch den Bereich des E-Commerce aus. Außerdem ist Otto Initiator und Gründer verschiedener Stiftungen im Umwelt- und Nachhaltigkeitsbereich. So fördert die Umweltstiftung Michael Otto den Schutz der Natur und Bildungsprojekte zur Nachhaltigkeit. Die Aid by Trade Foundation (AbTF) unterstützt in marktorientierter Form Armutsbekämpfung und Umweltschutz in afrikanischen Ländern durch die Förderung des nachhaltigen Anbaus in der Landwirtschaft. Hinzu kommen zahlreiche Projekte Förderung der Jugend und Kultur. Otto wurde vielfach ausgezeichnet, so erhielt er im Jahr 2013 z.B. die Ehrenbürgerwürde der Freien und Hansestadt Hamburg. 10 NEWS MELLIAND TEXTILBERICHTE 3 | 2023

WUMAG TEXROLL GmbH & Co. KG A subsidiary of Carl KRAFFT & Söhne GmbH & Co. KG | Schoellerstraße 164 | 52351 Düren | Germany +49 24 21 96 54 0 | texroll@wumag-texroll.com | www.wumag-texroll.com THE EDGE FOR YOUR PRODUCT Smart manufacturing with customized machines and rollers Where textile and non-textile webs are created Innovationen und nachhaltige Lösungen für die Zukunft EVENT: Techtextil/Texprocess 2024 FOKUS: Business Die Planungen der Techtextil und Texprocess vom 23.–26. April 2024 in Frankfurt/M. starten erfolgsversprechend. Aussteller aus über 40 Ländern haben sich bereits für eine Teilnahme angemeldet. Mit dabei sind auch Aussteller, die 2022 noch auf eine Teilnahme verzichtet haben, z.B. Brasilien. Die kommenden Messeausgaben drehen sich um das Thema Nachhaltigkeit und präsentieren zukunftsfähige Lösungen für die Textilindustrie. Start-ups erhalten eine aufmerksamkeitsstarke Plattform. Techtextil und Texprocess spiegeln die Innovationskraft der technischen Textilien, Textilherstellungs- und Verarbeitungstechnologien wider. Dies zeigt sich in einem breiten Spektrum an Ausstellerpräsentationen und einem umfassenden Rahmenprogramm u.a. mit den Innovation Awards. Alle Produktsegmente, von Fibres & Yarns über Nonwovens bis hin zu Coated Textiles inklusive der Textilherstellungstechnologie, werden auf der Techtextil präsentiert. Zahlreiche Organisatoren von Gemeinschaftsständen haben ihre Teilnahme angekündigt. Aus Deutschland präsentieren sich z.B. der IVGT – Industrieverband Veredlung – Garne – Gewebe – Technische Textilien e.V., die VDMA Services GmbH mit dem VDMA Fachverband Textilmaschinen, der sächsische Gemeinschaftsstand organisiert durch den Verband der NordOstdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie oder Bayern Innovativ mit einer Gemeinschaftspräsentation. International haben sich Länderpräsentationen aus China, Frankreich, Italien, Japan, Spanien, der Tschechischen Republik, der Türkei oder der Schweiz bereits angekündigt. Die letzte Techtextil und Texprocess im Juni 2022 bestätigten mit einem Internationalitätsgrad von 66 % auf Besucherseite, wie wichtig es für die internationale Branche ist, persönlich an einem Ort zusammenzukommen. Das Kennenlernen von Neuheiten, das Erweitern von Fachwissen und das Networking bzw. Austauschen von Erfahrungen waren unter den am häufigsten genannten Messebesuchszielen von Fachbesuchern der beiden Messe. Start-ups Junge, innovative Unternehmen erhalten auf der Techtextil und Texprocess besondere Aufmerksamkeit In einem eigenen Areal können sie gezielt angesteuert werden und erhalten die Möglichkeit, ihre Produkte internationalen Entscheidern zu präsentieren. Denim-Verarbeitung der Zukunft Besucher der Bekleidungsindustrie finden auf der Techtextil und Texprocess auf ihre Interessen abgestimmte und inszenierte Sonderschauen. Zum Beispiel wird der Denim-Produktion und -Verarbeitung ein eigenes Areal auf der Texprocess gewidmet. 11 NEWS MELLIAND TEXTILBERICHTE 3 | 2023

Kooperationsplattform für nachhaltige Textilherstellung Auf Kleidungskonsum beruhen 2–10 % der EU-Umweltbelastung. Damit stellt der steigende Verbrauch von Textilien über den gesamten Lebenszyklus der Produkte durchschnittlich die viertgrößte Quelle negativer Auswirkungen auf die Umwelt und den Klimawandel in der Europäischen Union dar. Unter der Leitung der Hochschule Niederrhein, Mönchengladbach, starten ab Mai 2023 die Projektpartner HS Niederrhein, DWI – Leibniz-Institut für Interaktive Materialien und das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT eine Kooperationsplattform: Mit dem Projekt „KlarTEXt“ wollen sie die Hindernisse für eine nachhaltige und umweltfreundliche Textilwirtschaft überwinden. Das Projekt wird über 4 Jahre mit rund 2 Mill. € vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NordrheinWestfalen (MKW NRW) gefördert. Die 1400 deutschen, überwiegend mittelständischen Unternehmen der Branche stellt diese erforderliche Transformation vor große Herausforderungen. Allein für Ökodesignanforderungen (z. B. Ressourceneffizienz oder Recycling) existieren bislang weder Vorgaben noch überzeugende Lösungen. Viele der Unternehmen benötigen dazu starke Partnerschaften. Genau hier setzt die Kooperationsplattform „KlarTEXt“ an: Material, Funktion, Zirkularität sowie Ressourceneffizienz sind omnipräsente Themen der Wissenschaft und Industrie mit großem Entwicklungspotenzial für die Gesellschaft. Das MKW finanziert die Entwicklung und Gründung der Plattform, die zugleich den Innovationsbedarf der Gesellschaft und Unternehmen bündeln sowie in wissenschaftliche Aktivitäten und Lehrformate überführen wird. Mithilfe der Kooperationsplattform möchten die kooperierenden Forschenden Hindernisse für eine nachhaltige Textilindustrie ausmachen, Maßnahmen für ihre Überwindung definieren und an den Stellschrauben für eine sozial und ökologisch nachhaltige Textilwirtschaft arbeiten. „KlarTEXt“ hat zum Ziel, die gemeinsamen Forschungsfelder textile Materialien, Funktionen, Zirkularität sowie Ressourceneffizienz für erhöhte Innovationskraft in Unternehmen zu transferieren. Des Weiteren sollen die Forschungsthemen in verständlicher Sprache mit der Gesellschaft geteilt werden. Durch diese wirtschaftliche und gesellschaftliche Teilhabe werden so unter anderem Zukunftsinnovationen aus den Bereichen Biopolymere und Biotechnologie für die Textilwirtschaft mit Relevanz versehen. INSTITUT: HS Niederrhein FOKUS: Nachhaltigkeit Ministerin Ina Brandes und Professorin Maike Rabe (Source: MKWNRW) Robert van de Kerkhof Dr. Frank Meister, Philipp Köhler MANAGEMENT MANAGEMENT Im Vorstand der Lenzing Gruppe, eines führenden Anbieters von holzbasierten Spezialfasern, kommt es zu einer personellen Änderung: Robert van de Kerkhof, Chief Commercial Officer Fiber und seit 2014 Mitglied des Vorstands, setzte den Aufsichtsrat darüber in Kenntnis, für eine weitere Verlängerung seines bis zum 31. Dezember 2023 laufenden Vertrags nicht mehr zur Verfügung zu stehen. In seiner Rolle als Marketing- und Vertriebsvorstand hat er wesentlich zur erfolgreichen Entwicklung der Lenzing Gruppe beigetragen. Der Vorstand der Lenzing AG, Lenzing/Österreich, wird damit von 4 auf 3 Mitglieder reduziert. Vorstandsvorsitzender Stephan Sielaff wird im Wesentlichen die Vertriebsaufgaben im Bereich Fiber übernehmen. Van de Kerkhof wird bis zum Ende seiner laufenden Funktionsperiode als Chief Sustainability Officer den Nachhaltigkeitsbereich einschließlich der CO2 -Roadmap weiter vorantreiben. Die größte Abteilung des Thüringischen Instituts für Textil- und Kunststoff-Forschung Rudolstadt (TITK) hat seit dem 1. Mai 2023 einen neuen Leiter. Zum 30. April 2023 ging Dr. Frank Meister in den Ruhestand. Sein bisheriger Stellvertreter Philipp Köhler übernimmt nun den Bereich Native Polymere und Chemische Forschung. Dr. Meister war 30 Jahre am TITK, seit 2001 Leiter der Chemischen Forschung. Sein erstes Arbeitsfeld wurde die chemische Modifizierung von Cellulose, um sie direkt, ohne jedes Lösungsmittel verformbar zu machen und legte somit die Grundlagen für ein Direktlöseverfahren – das Alleinstellungsmerkmal des TITK. Das „letzte Highlight“ war für Meister Lyohemp – die erste Lyocellfaser aus 100% nicht holzbasiertem Zellstoff. Diese Neuentwicklung auf Grundlage von bis dato ungenutzten Hanf-Reststoffen steht beispielhaft für einen aktuellen Forschungsschwerpunkt am TITK: die Verwendung von alternativen Rohstoffen und Recycling-Materialien. Philipp Köhler ist im September 2014 direkt nach dem Studium der Werkstofftechnik an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena ans TITK gekommen. Aktuell schreibt er bei Prof. Chokri Cherif an der TU Dresden seine Doktor-Arbeit. Auch darin geht es um alternative Materialien für die Faserherstellung. 12 NEWS MELLIAND TEXTILBERICHTE 3 | 2023

Der vielseitige Einlagestoff Vlieseline zum Stabilisieren, Formen undWärmen in Kleidungsstücken feiert 75. Geburtstag. Die isoelastische Vliesstoffeinlage von Freudenberg Performance Materials Holding SE & Co. KG, Weinheim, wurde von Dr. Carl-Ludwig Nottebohm entwickelt und wird nicht nur in der Textilindustrie, sondern auch von Hobbyschneidern und Modeateliers eingesetzt. Das einst als Ersatzstoff entwickelte und 1948 erstmalig produzierte Material Vlieseline ermöglicht es, Kleidungsstücken eine optimale Passform zu verleihen, raffinierte Effekte und wärmende Eigenschaften zu erzeugen. In puncto Nachhaltigkeit ist der Stoff zeitgemäß dank des Einsatzes von Naturfasern und Vliesstoffen aus bis zu 100 % recycelten Materialien wie PET-Flaschen sowie umweltschonenden Produktionsprozessen. Vlieseline = eingetragenes Warenzeichen 75 Jahre Vlieseline UNTERNEHMEN: Freudenberg FOKUS: Jubiläum Locker auf Tempo laufen mit einem ultraleichten Schuh, der das Vorankommen mechanisch unterstützt – das ermöglicht der Puma Fast-FWD Nitro Elite. Er ist als Wettkampfschuh für Strecken um 5 km konzipiert. Die maximierte Kraftübertragung ist einer neuen Technik von Puma für Zwischensohlen zu verdanken, die eine sogenannte PWR Plate aus carbonfaserverstärktem Kunststoff mit einer Schaumstoffschicht kombiniert. Die PWR Plate besteht aus einer Materialvariante von Tepex dynalite von Envalior. Dieser thermoplastische Verbundwerkstoff hat eine Matrix aus Polyamid 12, in die ein Gewebe aus Endloscarbonfasern eingebettet ist. Die thermogeformte Carbonfaser-Platte ist in einen Schaumstoff aus einem Polyetherblockamid (PEBA) eingebettet, der mit der Nitro-Elite-Technologie von Puma SE, Herzogenaurach, mit Stickstoff als Treibmittel geschäumt ist. Der Schaum absorbiert zum einen Stöße, die während des Bewegungsvorgangs dynamische Kräfte bis zum Dreifachen des Körpergewichts auslösen können, und unterstützt zum anderen mit seiner Rückstellkraft ebenfalls eine optimale Kraftübertragung beim Abrollen des Fußes. Die verstärkenden Endlosfasern in der Platte erstrecken sich über die gesamte Länge des Schuhs. Dadurch ist die Platte ungewöhnlich steif, was den Schaum stabilisiert. Gleichzeitig bringt sie nur sehr wenig Gewicht auf dieWaage, denn die Dichte des Composites liegt bei nur 1,35 g/cm². Leichter Verbund- werkstoff für Zwischensohle eines Laufschuhs UNTERNEHMEN: Puma FOKUS: Innovation 13 NEWS MELLIAND TEXTILBERICHTE 3 | 2023

P.O. Box 13 12 64 · 42039 Wuppertal, Germany Tel.: +49/202/8 90 91 91 · Fax: +49/202/8 90 91 11 info@rolltex.de · www.rolltex.de RollerCoverings a great variety of surfaces in Rubber, PVC and other Materials ITMA Mailand 2023 Hall 10 / C 103 Die Neuaufstellung der Aurich Textilien Gruppe konnte erfolgreich abgeschlossen werden. Das zuständige Amtsgericht in Köln hat am 31. März 2023 die Verfahren der Gebrüder Aurich GmbH und der AVI GmbH, beide Radevormwald, aufgehoben. Mit dem jetzt vorliegenden gerichtlichen Beschluss sind die Insolvenzverfahren beendet. Weitere Teile der Unternehmensgruppe (Awitech Aurich GmbH und TexRa GmbH) wurden auf die Gebrüder Aurich GmbH im Rahmen eines Asset Deals übertragen. Grundlage der erfolgreichen Neuaufstellung waren umfassende Restrukturierungsmaßnahmen, die die Unternehmensleitung mit Unterstützung ihrer Berater von Hoffmann Liebs und des Insolvenzverwalters Rechtsanwalt Dr. Jens M. Schmidt von Runkel Rechtsanwälte in den vergangenen Monaten erarbeitet und umgesetzt hat. Dabei sah die gesellschaftliche Umstrukturierung der Gruppe die Fokussierung von einst 5 Gesellschaften auf 2 operative Gesellschaften vor. Entscheidend für das erreichte Ergebnis war die Einigung mit den Gläubigern über Insolvenzpläne. Jacqueline Krause und Christopher Aurich, die im Juli 2020 in die Leitung des Unternehmens eingetreten waren, sind nach dem vor einigen Jahren angestoßenen Generationenwechsel jetzt auch vollständig als Gesellschafter in die Aurich Textilien Gruppe eingestiegen. Der Geschäftsbetrieb lief im gesamten Verfahren ohne Einschränkungen weiter. Dies zeigte sich auch im Kunden- und Lieferantenstamm, der über den gesamten Verfahrensverlauf eng zum Unternehmen stand. Im ersten Quartal 2023 konnte der Oerlikon-Konzern den Umsatz um 5,4 % auf 735 Mill. sfr steigern. Dies ist besonders auf das Umsatzplus von 11 % in der Division Surface Solutions zurückzuführen. In der Division Polymer Processing Solutions der Oerlikon Management AG, Pfäffikon/Schweiz, sank der Umsatz leicht um 1 % auf 366 Mill. sfr. Bei konstanten Wechselkursen erhöhte sich der Umsatz um 4,6 %, unterstützt durch Lieferungen aus dem großen Auftragsbestand der vorherigen Jahre. Der Auftragseingang ging nun nach den Auftragsrekorden im Jahr 2022 wieder zurück und lag in Q1/2023 bei 298 Mill. € (–28,0%, währungsbereinigt –24,1%). In dieser Division war der antizipierte Rückgang der Bestellungen hauptsächlich auf die Nachfrage im chinesischen Filament-Markt zurückzuführen. Das operative EBITDA sank um 5,2 % auf 55 Mill. sfr bzw. 15,1 % des Umsatzes (Q1/2022: 58 Mill. sfr bzw. 15,7 %). Die Marge war durch Mix-Effekte und höhere Inputkosten beeinträchtigt. Das Betriebsergebnis (EBIT) betrug 41 Mill. sfr bzw. 11,3 % des Umsatzes (Q1/2022: 44 Mill. sfr, 12,0 %). Mit einer Investitionssumme in Höhe von 27 Mill. € erweitert Getzner Textil am Standort Bludenz die Produktion. Während der geplanten 2-jährigen Bauzeit entsteht eine neue Produktionshalle für den Bereich Veredlung. Der Spatenstich soll noch diesen Sommer erfolgen. Nach Fertigstellung wird die neue Produktionsfläche als sogenannte Appreturhalle genutzt. Hier werden Stoffe veredelt und ausgerüstet. Grund für die aktuelle Erweiterung ist neben der steigenden Kundennachfrage vor allem die Optimierung interner Prozesse zur Effizienzsteigerung. Im Zuge der Betriebserweiterung werden bestehende Produktionsanlagen durch neue Produktionstechnologie ersetzt – 3 Mill. € der Gesamtinvestitionssumme sind dafür vorgesehen. Die Modernisierung der Anlagen ermöglicht eine nachhaltigere und ressourcenschonendere Produktion. Das Thema Nachhaltigkeit findet auch im Baukonzept Berücksichtigung. Die Getzner Textil AG, Bludenz /Österreich, plant knapp 50 Mill. € zu investieren, wobei die Betriebserweiterung am Standort Bludenz mit 27 Mill. € in den kommenden Jahren das größte Projekt darstellt. Darüber hinaus sind Investitionen im Bereich Photovoltaik vorgesehen. Nach dem Erweiterungsbau umfasst der Hauptsitz der Getzner Textil AG etwa 46.000 m² Fläche. Als eines der größten Textilunternehmen Mitteleuropas mit einem Jahresumsatz von 440 Mill. € beschäftigt Getzner Textil derzeit rund 1.600 Mitarbeitende. Insolvenzverfahren erfolgreich beendet Niedrigerer Auftragseingang Investition in Betriebs- erweiterung UNTERNEHMEN: Aurich Textilien FOKUS: Business UNTERNEHMEN: Oerlikon FOKUS: Business UNTERNEHMEN: Getzner FOKUS: Investition 14 NEWS MELLIAND TEXTILBERICHTE 3 | 2023

Vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt - wir setzen Standards und unterstützen Marken, Einzelhändler und Hersteller dabei, ihre Ziele in Bezug auf Umwelt, soziale Verantwortung und Qualität zu erreichen. Mehr erfahren: testex.com Gemeinsam für nachhaltige Textilien und Lederprodukte Weniger als 3 Monate nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist es dem Insolvenzverwalter gelungen, die Sonotronic Nagel GmbH an die Dürkopp Adler Gruppe zu verkaufen. Die Dürkopp Adler GmbH, Bielefeld, ist auf die Entwicklung, Produktion und den Vertrieb von Nähmaschinen spezialisiert und gehört der ShangGong Group (SGG), Shanghai/China. Der Kaufvertrag ist von den Beteiligten am 28. April 2023 unterzeichnet worden. Die Übertragung des Unternehmens ist für den 1. Juli 2023 geplant. Durch den Verkauf bleiben der Standort in Karlsbad sowie ein Großteil der Arbeitsplätze in Deutschland, Spanien und USA erhalten. Der Hersteller von Ultraschall-Sondermaschinen für die Automobilindustrie Sonotronic Nagel GmbH, Karlsbad, hatte im November 2022 einen Antrag auf Insolvenz beim Amtsgericht Karlsruhe gestellt. Das Gericht bestellte den Mannheimer Rechtsanwalt Tobias Wahl von der Kanzlei Anchor Rechtsanwälte als Insolvenzverwalter. Mit der Übernahme von Sonotronic Nagel wird die Dürkopp Adler Gruppe ihr Angebot im Bereich der industriellen Näh- und Schweißtechnologie um Automationslösungen im Bereich der Kunststoff-schweißtechnologie erweitern und ihre Präsenz auf dem globalen Markt stärken. Der internationale Technologiekonzern Andritz ging eine Partnerschaft mit Pellenc ST und Nouvelles Fibres Textiles ein, um die erste industrielle automatische Textilsortierlinie in Frankreich zu errichten. Die Partner verfügen über Expertenwissen aus jahrzehntelanger Erfahrung: Pellenc ST, Pertuis Cedex/Frankreich, im Bereich Sortiertechnologien, Andritz AG, Graz/Österreich, in Textilmaschinen und -prozesse sowie Nouvelles Fibres Textiles , Amplepuis/France, in Post-Consumer-Textilwertschöpfungsketten von der Sortierung bis zur Produktion. Die neue Textilsortierlinie wird die erste sein, die automatisierte Sortiertechnologien von Pellenc mit Recyclingtechnologien von Andritz kombiniert. Sie wird Post-Consumer-Textilabfälle zu Recyclingfasern für die Verspinnung, die Vliesstoff- und die Verbundwerkstoffindustrie verarbeiten. Nach der Inbetriebnahme Mitte 2023 wird sie vielseitig eingesetzt werden – als Produktionsanlage für Nouvelles Fibres Textiles, als F&E-Linie für die 3 Partner sowie als Test- und Demoanlage für deren Kunden. Nouvelles Fibres Textiles entwickelt sich durch Verwendung innovativer Technologien zur Fremdkörper-Abscheidung, die reine Fasern, selektive Farben und differenzierte Fasertypen liefern, zu einem Spezialisten in diesem Bereich. Übernahme von Sonotronic Nagel Partnerschaft für Textil-Recycling UNTERNEHMEN: Dürkopp Adler FOKUS: Business UNTERNEHMEN: Andritz FOKUS: Recycling 15 NEWS MELLIAND TEXTILBERICHTE 3 | 2023

Polyesterfasern binden CO2 DITF Denkdorf Fairbrics SAS Paris/Frankreich Heute entfallen 60 % aller weltweit hergestellten Textilien und ein Drittel der Treibhausgasemissionen der Bekleidungsindustrie auf Polyester. Durch den Einsatz vonCO2 aus industriellen Abgasen anstelle erdölbasierter Rohstoffe können nachhaltige und skalierbare Lösungen für energieintensive Branchen gefunden werden. Hieran knüpft das EU-weite Verbundprojekt „Threading CO2“ an, das im Rahmen des Horizon-Förderprogramms der EU finanziert wird. Bei dem Projekt werden Produkte aus umweltfreundlich hergestelltem Polyester in die Marktreife überführt. Die technologische Grundlage entwickelte die Fairbrics SAS, Paris/Frankreich. Dabei geht es umdie Herstellung vonMonoethylenglycol (MEG), dem Ausgangsstoff für die Herstellung von Polyester, unter Verwendung von CO2, das aus industriellen Abgasen gewonnen wird. Das ist ein neuerWeg, denn im klassischen Verfahren werden fossile Rohstoffe für die Produktion von Polyester eingesetzt. Auf dieseWeisewird nicht nur direkt die Freisetzung von CO2 in die Atmosphäre verhindert. Das CO2 trägt zusätzlich einer erhöhten Wertschöpfung bei, indem es bei der Erzeugung von hochwertigen textilen Produkten eingebunden wird. Der Kern des Projekts ist die technologische Aufskalierung des neuen MEG-Syntheseprozesses in Pilotanlagen, die denWeg für die industrielle Fertigung ebnen. Unter der Leitung von Fairbrics finden sich 17 Projektpartner aus 7 europäischen Ländern in diesem Projekt zusammen. Gemeinsames Ziel ist es, in einem geschlossenen Kreislauf Endprodukte aus Polyester unter Verwendung von industriellen CO2-Emissionen zu erzeugen und zur Marktreife zu führen. Die Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung Denken- dorf (DITF) übernehmen innerhalb des Konsortiums die Aufgabe, das Upscaling zu begleiten und den Schritt ‚vom Molekül zum Material‘ zu gehen: Aus dem nachhaltig hergestellten MEG wird in eigenen Laboratorien Polyester synthetisiert, zu Fasern versponnen, texturiert und weiterverarbeitet. Dabei soll überprüft werden, ob die Qualität des Polyesters sowie dessen Verspinn- und Verarbeitbarkeit in der textilen Wertschöpfungskette vergleichbar mit konventionellem Polyester ist. Die Projektpartner Faurecia SA, Nanterre/Frankreich, und Les Tissages de Charlieu Sarl, Charlieu/Frankreich, verarbeiten die Fasern und Textilien zu Autositzen und Bekleidung, um die Qualität auch im Endprodukt beurteilen zu können. Die anschließende Rezyklierfähigkeit der Produkte wird an den DITF überprüft. Außerdem soll eine Sicherheitsmarkierung für das CO2-basierte Polyester entwickelt werden, um vor Produktpiraterie zu schützen. Preiswerte Carbonfasern aus Lignin Ein neuartiges, ebenso umweltfreundliches wie kostensparendes Verfahren zur Herstellung von Carbonfasern aus Lignin wurde ebenfalls an den DITF entwickelt. Es zeichnet sich durch hohes Energiesparpotenzial aus. Die Vermeidung von Lösungsmitteln und die Nutzung natürlicher Rohstoffe machen das Verfahren umweltfreundlich. Lignin ersetzt bei dem Verfahren das PAN für die Herstellung der Präkursorfasern, die in einem 2. Prozessschritt zu Carbonfasern umgewandelt werden. Lignin ist ein günstiger und in großen Mengen verfügbarer Rohstoff, der als Abfallprodukt in der Papierproduktion anfällt. Im neuen Verfahren zur Herstellung von Ligninfasern wird zuerst Holz in seine Bestandteile Lignin und Cellulose getrennt. Ein Sulfit-Aufschluss ermöglicht die Erzeugung von Lignosulfonat, das in Wasser gelöst wird. Eine wässrige Lösung von Lignin ist dann das Ausgangsmaterial für das Spinnen der Fasern. Der Spinnprozess selbst erfolgt im sog. Trockenspinnverfahren. Das Verfahren kommt gänzlich ohne den Einsatz von Lösungsmitteln und giftigen Additiven aus. Die folgenden Schritte zur Herstellung von Carbonfasern, nämlich die Stabilisierung in Heißluft und die anschließende Carbonisierung im Hochtemperaturofen, ähneln denen des üblichen Prozesses bei Verwendung von PAN als Präkursorfaser. Allerdings spielen auch hier die Ligninfasern ihre Vorteile aus, denn sie lassen sich im Ofen besonders schnell mit Heißluft stabilisieren und benötigen nur relativ niedrige Temperaturen in der Carbonisierung. Die Energieersparnis in diesen Prozessschritten gegenüber PAN liegt bei etwa 50 %. Der Trockenspinnprozess erlaubt hohe Spinngeschwindigkeiten. Hierdurch wird in kürzerer Zeit viel mehr Material produziert, als es mit PAN-Fasern möglich ist. Die mechanischen Eigenschaften der aus ihnen hergestellten Carbonfasern sind hingegen nahezu vergleichbar – sie sind ebenso zugfest, widerstandsfähig und leicht, wie es von marktgängigen Produkten bekannt ist. Besonders interessant dürften Carbonfasern aus wassergesponnenen Ligninfasern für Anwendungen in der Bau- und Automobilbranche sein, die von Kostensenkungen im Produktionsprozess in hohem Maße profitieren. 16 MELLIAND TEXTILBERICHTE 3 | 2023 FASERN & GARNE FASERN & GARNE

Deutliche Lufteinsparung bei der Luftverwirbelung von DTY Nicola Chiusolo, Samuel Gerber Heberlein AG, Wattwil/Schweiz Die neue Generation „Advanced Performance“ der DTY-Luftdüsen des Anbieters von Luftverwirbelungs- und Luftblastexturier- düsen Heberlein AG wird auf der ITMA 2023 präsentiert. Die APe-Verwirbelungsdüsen reduzieren den Druckluftverbrauch bei gleichbleibender Knotenzahl signifikant. Die APh-Serie erfüllt höchste Anforderungen an die Knotenstabilität. Die innovative Technologie von Heberlein ermöglicht es nun, die Anzahl Knoten konstant zu halten und dabei Druckluft einzusparen. Mit der neuen APe-Verwirbelungsdüsenserie lässt sich eine Luftverbrauchsreduktion von bis zu 15 % erreichen. Für APe-Düsen gilt „Plug&Play“. Bestehende Düsen können schnell ausgetauscht werden. Es bedarf keinerlei Anpassungen der Prozessparameter. Ersetzt man die P142-Düse (P-Serie) mit einer APe142 ergeben sich z.B. für einen Texturierer in Italien Kosteneinsparungen von 120 US$ pro Tag für eine Maschine mit 288 Positionen und einem Arbeitsdruck von 3 bar. Dieses Resultat basiert auf dem für die Industrie üblichen Standard zur Kostenberechnung (1 Nm3 = 0,12 kWh) und Energiepreisen, wie auf globalpetrolprices.com zu entnehmen. Bis zu 15 % Drucklufteinsparung bei der Luftverwirbelung von DTY mit neuen Luftdüsen Messung mit Itemat zeigt die deutliche Erhöhung der Knotenstabilität bei einer Belastung von 1,3 cN (Testreihe mit PES dtex 167f36, Maschinen- geschwindigkeit 800 m/min) Heberlein SlideJet-FT15-2 mit Düseneinsatz APe142 BILD 1 FIG. 2 P212 APh212 Itemat Stability 1.3cN/dtex [%] 100 80 60 40 20 0 3bar 4% OF 3bar 5% OF 4bar 4% OF 4bar 5% OF 41 53 82 58 73 73 92 35 Drucklufteinsparungen von APe142 und APe143 beim 1:1-Austausch mit der Düse P142 respektive P143 erreichen 0,265 und 0,331 Nm3/h bei einem Luftdruck von 2 bar, was der durchschnittlichen Drucklufteinsparung von 15 % entspricht. Qualitätseinbussen gibt es dabei keine. Die Düsen haben eine hohe Langlebigkeit und eine sehr gute Stellengleichmässigkeit dank enger Fertigungstoleranzen. Ausserdem sind APe-Düsen mit allen Gehäusen des Typs SlideJet-FT15-2 und SwissJet kompatibel. Werden z.B. Garne für den Bereich 110–300 dtex imAir-Covering- Prozess hergestellt, liegt die Herausforderung vor allem in der Stabilität der Knoten. Für Garne, die mit Elastan gemischt werden und während des Weiterverarbeitungsprozesses erheblichen Kräften ausgesetzt sind, eignen sich die APh-Düsen besonders. Fundierte Garnanalysen im Heberlein-Textillabor belegen zudem, dass gerade bei einer tiefen Anzahl von Filamenten die APh-Serie eine kompetente Lösung bietet. Dank ihrer innovativen Konstruktionsweise erfüllen APh-Düsen höchste Anforderungen an die Knotenstabilität für nachgelagerte Prozesse wie Stricken, Wirken und Weben. Eine breite Testreihe mit den Düsentypen APh212 und APh213 zeigte, dass bei einer Belastung von 1 cN/dtex eine Stabilität von bis zu 100 % erreicht werden kann. DieseWerte erlauben eine Steigerung der Maschinengeschwindigkeit. Die Produktivität kann dadurch signifikant verbessert werden – oder der Schlichteeinsatz wird reduziert, was sich positiv auf die Kosten und die Umwelt auswirkt. 17 MELLIAND TEXTILBERICHTE 3 | 2023 FASERN & GARNE

SP INNERE I Fasermischungen aus recycelter und Rohbaumwolle werden heute immer noch zum größten Teil auf Rotorspinnmaschinen verarbeitet. Die wenigen Ringgarne gibt es häufig nur in groben Feinheiten und mit einem Baumwoll-Recyclinganteil von höchstens 20 %. Hier steht die Industrie vor einer großen Herausforderung: feine Garne mit einem höheren Anteil an mechanisch recycelten Fasern herzustellen. Rieter testet laufend neue Prozesse sowie Einstellungen und entwickelt Technologiekomponenten, um dieses Ziel zu erreichen. Kooperation mit Recover Im Rieter-Spinncenter wurden 2 Kompaktgarne der Feinheit Ne 30 gesponnen und miteinander verglichen: ein gekämmtes Garn aus 50 % recycelten Baumwollfasern und 50 % Rohbaumwolle sowie ein kardiertes Garn aus 25 % recycelten Baumwollfasern und 75 % Rohbaumwolle. Um die Recyclingfasern der Recover Textile Systems S.L., Banyeres de Mariola/Spanien, besser von der Rohbaumwolle unterscheiden zu können, wurden schwarze Recyclingfasern gewählt. Einstellungen und Komponenten Die größten Herausforderungen beim Verspinnen recycelter Fasern sind das Kontrollieren der kurzen Fasern und das Reduzieren der Nissen und Unreinheiten. Das Mischen der beiden Faserkomponenten erfolgte in der Putzerei mit der Präzisionsmischmaschine Uniblend A 81, da sie die beste Durchmischung gewährleistet. Die Karde wird rohstoffspezifisch konfiguriert und ausgestattet – z.B. mit Garnituren, die speziell für Material mit hohem Kurzfaser- und Schmutzanteil entwickelt wurden. Störende Fasern entfernen Die Kämmmaschine E 90 kann optional im Ring- bzw. Kompakt-Recyclingsystem eingesetzt werden. Beim Kämmen der Mischung aus recycelter und Rohbaumwolle werden störende Kurzfasern und Nissen entfernt (Bild 1). Das ermöglicht, den Recyclinganteil in der Mischung zu erhöhen. Die Annahme, dass ein großer Teil der recycelten Fasern durch das Kämmen entfernt wird, konnte widerlegt werden. Tatsache ist, dass nur die besonders kurzen und damit im Prozess störenden Fasern aus der Mischung ausgekämmt werden. Beim Versuch mit 50 % Recyclinganteil betrug die Auskämmung 24 %. Gleichzeitig konnten sowohl die Ungleichmäßigkeit als auch die Imperfektionen deutlich verbessert werden. Recyclinganteil erhöhen – Garnqualität verbessern Rieter Management AG, Winterthur/Schweiz Das Herstellen von Ring- und Kompaktgarnen aus Mischungen von recycelter Baumwolle und Rohbaumwolle stellt höchste Ansprüche an den Spinnprozess. Für diese Anforderungen wurden die Rieter-Ring- und -Kompakt-Recyclingsysteme entwickelt. Sie ermöglichen es, aus anspruchsvollem Rohmaterial feine Ring- und Kompaktgarne mit knapp 40% Recyclingfasern und hoher Garnqualität herzustellen. Dieser Qualitätsvorteil kann auch zu einer zusätzlichen Erhöhung des Recyclinganteils genutzt werden. Optisch war die gekämmte Fasermischung mit dem schwarzen Recyclingmaterial auch nach dem Kämmprozess deutlich dunkler als die kardierte mit 25 % Recyclinganteil. Im gekämmten Kompaktgarn betrug der Recyclinganteil 38 % und war damit deutlich höher als im kardierten Kompaktgarn. Ringspinnmaschine Für das optimale Verarbeiten von Recyclingfasern auf einer Ringspinnmaschine ist eine spezielle Faserzuführung im Streckwerk erforderlich. Der Verzug sollte generell so kontrolliert wie möglich stattfinden. Versuche auf der Ringspinnmaschine zeigen Vorteile für den Einsatz des Active Cradle mit Stufenbrücke. Für feinere Garne ab Ne 20 kann zusätzlich ein Druckstab (Pin) eingesetzt werden. Die Folge ist eine Verbesserung der Gleichmäßigkeit sowie eine Verringerung der Imperfektionen. Die Kompaktiereinheit Compactdrum verbessert die Spinnstabilität und das Laufverhalten der Maschine deutlich (Bild 2). Die Ring- und Kompakt-Recyclingsysteme mit der Kämmmaschine sind sehr vielversprechend, wenn der Anteil der recycelten Fasern erhöht und feine Garnstärken produziert werden. Das Kämmen bei der Verarbeitung von recycelten Baumwollmischungen hat einen positiven Effekt. Störende Kurzfasern und Nissen werden mit der Kämmmaschine E 90 ausgekämmt. BILD 1 Die Ringspinnmaschine mit Compactdrum und Q-Package liefert die besten Ergebnisse für recycelte Fasern. BILD 2 18 MELLIAND TEXTILBERICHTE 3 | 2023 SPINNEREI

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